Der Koarl ist weg. Als Gutachter zumindest. Weil er zwar theoretisch weiß, wie ein Gutachten ausschaut, praktisch aber keines schreiben kann, darf er das jetzt auch nicht mehr. Hat nun auch der VwGH bestätigt. Wir sind froh darüber und auch ein wenig stolz darauf, dass wir diesen Stein ins Rollen gebracht haben. Der Schaden ist trotzdem angerichtet. In hunderten Fällen wurde der „Reisebericht“ herangezogen und Menschen nach Afghanistan abgeschoben. Und erst im Sommer diesen Jahres hat der Koarl wieder einen Job vom BVwG bekommen. Als Rechercheur diesmal. Wahrscheinlich als Entschuldigung für die Entscheidung vom Mai.
Der Heinz ist weg. Der Herbert auch. Nicht wegen uns, obwohl auch hier ein Reisebericht eine Rolle gespielt hat. Eine komplette Neufassung des Asyl- und Fremdenrechts bleibt uns deshalb (vorerst) erspart. Es wurde trotzdem genug Schaden angerichtet. Einen Tag vor Veröffentlichung des Ibiza-Videos beschloss der Nationalrat die Verstaatlichung der Betreuung und Beratung von Asylwerber*innen mit weitgehenden Be- fugnissen für das Innenministerium. Ab 2021 entscheidet dann das Ministerium, ob eine Beschwerde gegen den (eigenen) Asylbescheid erhoben werden soll. Soll sie wahrscheinlich nicht.
Mein Ziel ist Null …
In den Jahren 2014 bis 2016 stellte eine große Anzahl von Menschen Asylanträge in Österreich. Als Reaktion darauf erhöhten sowohl Beratungs- und Betreuungs- einrichtungen ihre Kapazitäten wie auch das BFA. Während jedoch die Antragszahlen sanken und Unterstützungseinrichtungen nach und nach geschlossen wurden, durfte das BFA sein Budget und sein Personal behalten. Hand in Hand mit dem politischen Ziel, Asyl gänzlich auszuschalten, ergibt das eine grausliche Mischung.
Das äußert sich in hunderten Aberkennungs- verfahren, die im Laufe des letzten Jahres geführt wurden. Zu Afghanistan zum Beispiel, wo Menschen in extrem unsichere Verhältnisse oder gar in den Tod ab- geschoben werden. Oder zu Somalia, wohin vorerst zwar niemand abgeschoben, den Betroffenen in Österreich aber dennoch der Status samt Zugang zum Arbeitsmarkt und sämtlichen Perspektiven entzogen wird.
Das äußerst sich in einer zunehmenden Lagerpolitik und Isolation von Menschen. Während Grundversorgungsquartiere leer bleiben, verdoppelte sich die Verhängung von Schubhaft und befinden sich immer mehr Menschen in sogenannten Rückkehr- beratungszentren (RüBe). Gefängnisse brauchen nicht zwangsläufig Gitterstäbe vor den Fenstern, um solche zu sein.
Es äußert sich auch darin, dass das humanitäre Bleiberecht faktisch tot ist. Menschen, die jahrelang hier gelebt haben, die wirtschaftlich selbständig sind, die eine Ausbildung oder Lehre absolviert haben, wird der aufenthaltsrechtliche Boden unter den Füßen weggezogen. Medial wird um eine Handvoll Lehrlinge gefeilscht und dabei übersehen, dass die rechtlichen Grundlagen für deren weiteren Verbleib bereits vor 10 Jahren geschaffen worden sind. Und ringt sich das BVwG irgendwann zu einem Bleiberecht durch, zieht das BFA (!) vor die Höchstgerichte und lässt sich dort den unmenschlichen Kurs bestätigen.
Dageblieben …
Obwohl einige weg sind, ist vieles noch da, das es zu bekämpfen gilt. Wir schlagen uns mit dem Vermächtnis einer ganzen Riege von Innenminister*innen herum, die alle ihren Dreck hier liegen gelassen haben, obwohl sie längst weg sind. Ob es die nächste Regierung besser macht, bleibt skeptisch abzuwarten. Es wäre das erste Mal seit einem Vierteljahrhundert.
Und deshalb sind auch wir noch da. Wir, die Deserteurs- und Flüchtlingsberatung, beraten und vertreten seit mehr als 25 Jahren kostenlos Menschen unabhängig von ihrer Herkunft oder ihrem Aufenthaltsstatus. Dabei stehen wir stets auf der Seite der Betroffenen. Solange das Recht auf Asyl politischer Spielball ist, solange Menschen aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit schikaniert und inhaftiert werden, werden auch wir da sein, um dagegen aufzutreten.