Die von der Deserteurs- und Flüchtlingsberatung beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) erwirkte einstweilige Verfügung vom 2. August 2021 hat dazu beigetragen, dass Abschiebungen von Europa nach Afghanistan gestoppt wurden. Dadurch sollte eine Verletzung von Artikel 3 EMRK – dem absolut geltenden Verbot von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung – die nach Afghanistan Abgeschobenen drohen würde, verhindert werden.
Unser Klient wurde trotz der aufsehenerregenden Entscheidung nicht sofort enthaftet. Im Gegenteil: Das Bundesverwaltungsgericht ist noch am 04.08.2021 in Verkennung der Sach- und Rechtslage von einer Rechtmäßigkeit der Schubhaft ausgegangen.
Die Schubhaft dient der Sicherung der Abschiebung. Durch die drohende Verletzung des absolut geltenden Verbots von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung, wurde eben diese Abschiebung durch den EGMR gestoppt – somit entfiel auch die rechtliche Grundlage für die Schubhaft.
Nachdem der Verfassungsgerichtshof (VfGH) gestern, 18.08.2021, einer Beschwerde gegen die Anhaltung in Schubhaft die aufschiebende Wirkung zuerkannte, wurde die Person erst 16 Tage nach der Entscheidung des EGMR enthaftet. Wir freuen uns sehr, dass der rechtswidrige Freiheitsentzug unseres Klienten endlich beendet wurde!
Die Deserteurs- und Flüchtlingsberatung verwundert es nicht, dass es einen höchstgerichtlichen Beschluss benötigt, damit die österreichische Verwaltung das Selbstverständliche akzeptiert und die Anhaltung in Schubhaft beendet hat. Der Verfassungsgerichtshof legt in einer Presseaussendung dar, dass eine zeitnahe Abschiebung angesichts der derzeitigen Lage nicht möglich ist. Daran ändern auch ständige Wiederholungen aber substanzlose Ankündigungen von Innenminister Nehammer oder Außenminister Schallenberg, an Abschiebungen nach Afghanistan weiterhin „festhalten“ zu wollen, nichts. Ob es der Regierung gefällt oder nicht, Abschiebungen nach Afghanistan sind derzeit und auf absehbare Zeit unmöglich. Die Schubhaft ist daher sofort zu beenden!
Dennoch – es irritiert, dass der Verfassungsgerichtshof scheinbar mittels Presseaussendung versucht, der Entscheidung des EGMR über eine Verlängerung der einstweiligen Maßnahme vorzugreifen.
Wir halten fest:
Der EGMR setzt sich mit der durch die Abschiebung drohenden Verletzung des Art 3 EMRK auseinander, der VfGH hingegen hat in diesem Fall nur über die Anhaltung in Schubhaft zu entscheiden.
Die Entscheidung des VfGH hat keinerlei Auswirkungen auf das laufende Verfahren vor dem EGMR.
Fluchtwege freihalten!
Schubhaft und Abschiebungen abschaffen! Bleiberecht für alle!