Trotz katastrophaler Sicherheitslage und inmitten eskalierender militärischer Auseinandersetzungen in der Region
Heute, am 23. Juni, unternimmt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Versuch, einen Klienten der Deserteurs- und Flüchtlingsberatung zwangsweise nach Syrien abzuschieben – in ein Land, das nach wie vor von Gewalt und massiven Menschenrechtsverletzungen geprägt ist. Es handelt sich um den ersten bekannten Abschiebeversuch aus Österreich seit Beginn des Bürgerkriegs in Syrien vor über 14 Jahren.
Ein erster, für 11. Juni geplanter Abschiebeversuch wurde in letzter Minute gestoppt, nachdem der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) die österreichischen Behörden im Rahmen einer einstweiligen Maßnahme (sog. Interim Measure) dazu anhielt, bis 18. Juni von einer Abschiebung abzusehen. Eine Maßnahme, die wir beim EGMR beantragten. Die Interim Measure wurde jedoch durch den EGMR folglich nicht verlängert – für uns keineswegs rechtlich nachvollziehbar, gibt es doch weiterhin klare Anhaltspunkte dafür, dass der Klient im Falle einer Abschiebung nach Syrien entweder durch das derzeitige Regime oder aufgrund der katastrophalen Verhältnisse vor Ort einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wäre bzw gefoltert werden würde.
Selbst die Interim Measure des EGMR hinderte das BFA nicht daran, eine neuerliche Abschiebung für den 23. Juni zu planen. Im laufenden Asylverfahren kommt der betroffenen Person nun kein rechtlicher Schutz zu, bis zum Ende des Verfahrens nicht nach Syrien abgeschoben zu werden. Dies ist rechtsstaatlich höchst bedenklich, genauso wie die Tatsache, dass die rechtliche Grundlage für die geplante Abschiebung eine Rückkehrentscheidung bildet, die im April 2025 erlassen wurde. Zu diesem Zeitpunkt waren die aktualisierten Länderinformationen der Staatendokumentation zur Lage in Syrien nach dem Machtverlust von Bashar al-Assad noch gar nicht veröffentlicht. Die Rückkehrentscheidung basierte damit auf einer veralteten Bewertung der Lage in Syrien. In diesem Verfahren konnte daher mangels aktueller Erkenntnisse zur Lage vor Ort nicht einmal ansatzweise geklärt werden, ob dem Klienten bei einer zwangsweisen Rückkehr aktuell Folter oder unmenschliche bzw erniedrigende Behandlung im Sinne des Art 3 EMRK droht.
Dazu kommt, dass die Rückkehrentscheidung zu einer Zeit erlassen wurde, in der das BFA alle laufenden Asylverfahren von syrischen Staatsangehörigen aussetzte, weil aktuelle Informationen zur Lage vor Ort (noch) nicht vorlagen. Das BFA versucht nun offensichtlich, ein Exempel zu statuieren. Genau hiervor hat UNHCR bereits im Dezember 2024 gewarnt – „keine überstürzten Entscheidungen in Bezug auf eine Rückkehr nach Syrien zu treffen“.
Angesichts der eskalierenden Gewalt in der Region und der immer noch sehr volatilen Lage in Syrien ist jeder Abschiebeversuch nicht nur menschenrechtlich untragbar, sondern zutiefst menschenverachtend. Österreich riskiert, eine Person der Folter oder unmenschlicher bzw erniedrigender Behandlung auszusetzen, wenn diese Abschiebung vollzogen wird. Wir sprechen uns daher vehement gegen die geplante Abschiebung nach Syrien aus.