ASYL FÜR ALLE DESERTEUR:INNEN UND KRIEGSDIENSTVERWEIGER:INNEN!

Irritiert von der massiven und weitestgehend unhinterfragten Kriegsrhetorik dieser Tage möchten wir hiermit einen alten, aber unverändert gültigen Standpunkt der Deserteurs- und Flüchtlingsberatung – hervorgegangen aus der ARGE für Wehrdienstverweigerung und Gewaltfreiheit – in Erinnerung rufen und auch 30 Jahre nach unserer Gründung auf dessen Notwendigkeit und Dringlichkeit hinweisen:

Die Forderung damals wie heute ist klar – Asyl für alle Deserteur:innen und Kriegsdienstverweiger:innen!

Die Deserteurs- und Flüchtlingsberatung hat im Jahr 1992 mit der Unterstützung von serbischen und kroatischen Deserteuren ihre Arbeit begonnen. Auch heute wollen wir eine antimilitaristische Stimme sein, die sich sowohl politisch als auch rechtlich deutlich für das Recht auf Desertion und Kriegsdienstverweigerung einsetzt.

Egal auf welcher Seite – es muss das Recht geben sich jedem Krieg zu verweigern, aus ethischen, politischen, religiösen, persönlichen Gründen – ohne mit staatlicher Repression oder sozialer Ächtung rechnen zu müssen – sondern im Gegenteil, genau deswegen Schutz und Anerkennung zu erhalten.

Damit eng verbunden ist die Forderung nach Asyl, um Deserteur:innen und Kriegsdienstverweiger:innen eine (aufenthaltsrechtliche) Perspektive zu geben.

30 Jahre nach unserer Gründung ist die Forderung nach wie vor hochaktuell. Die Rechtsprechung hat sich entwickelt, der Schutz für Deserteur:innen und Kriegsdienstverweiger:innen ist nach wie vor nicht in jedem Fall sicher und klar:

  • Meilenstein der letzten Jahre war dabei die EU-Qualifikationsrichtlinie 2011, die die Normen zur Zuerkennung von internationalem Schutz festlegt, nach welcher auch Personen, die sich einem völkerrechtswidrigen Krieg oder völkerrechtswidrigen Handlungen entziehen und mit Verfolgung rechnen müssen, als Schutzbedürftige qualifiziert werden.
  • Im selben Jahr stellte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) klar, dass es ein Menschenrecht auf Kriegsdienstverweigerung aus Gründen des Art 9 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), des Rechts auf Gedanken, Gewissens- und Religionsfreiheit, gibt.
  • Mit einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) aus dem Jahr 2015 wurde die oben erwähnte EU-Qualifikationsrichtlinie um „alle Militärangehörigen einschließlich des logistischen und unterstützenden Personals« erweitert.
  • Mit der Entscheidung des EuGH aus dem Jahr 2020 wurde im Fall eines syrischen Antragstellers festgehalten, dass es »in einem Kontext eines allgemeinen Bürgerkriegs, der durch die wiederholte und systematische Begehung von Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit durch die Armee unter Einsatz von Wehrpflichtigen gekennzeichnet ist, unerheblich (sei), dass der Betroffene sein zukünftiges militärisches Einsatzgebiet nicht kenne«. Zudem stellte der EuGH fest, »wenn im Herkunftsstaat die Möglichkeit der Verweigerung des Militärdienstes gesetzlich nicht vorgesehen ist, dem Betroffenen nicht entgegengehalten werden kann, dass er seine Verweigerung nicht in einem bestimmten Verfahren formalisiert hat und aus seinem Herkunftsland geflohen ist, ohne sich der Militärverwaltung zur Verfügung zu stellen«.

In der behördlichen und gerichtlichen Entscheidungspraxis geht es meist darum, welche Strafe der betreffenden Person droht, ob es Alternativen zum Dienst an der Waffe gibt, ob Beweise für eine bevorstehende Rekrutierung vorgelegt werden können etc. Die mögliche Involvierung in völkerrechtswidrige Handlungen oder die drohende unmenschliche Bestrafung bei Verweigerung des Kriegsdienstes glaubhaft zu machen, ist in vielen Fällen wichtigstes und zugleich schwierigstes Kriterium. Sie ist aber der Maßstab, den die Rechtsprechung an die Beurteilung des Rechts auf Asyl für Deserteur:innen und Kriegsdienstverweiger:innen setzt, weshalb trotz der oben skizzierten Entwicklungen in den letzten Jahren, das Recht auf Asyl für Deserteur:innen und Kriegsdienstverweiger:innen in der Praxis nicht leicht durchsetzbar ist.

Solidarität ist die Waffe die wir bieten können, egal aus welchem Kriegsgebiet der Welt die Menschen kommen, egal welchem Geschlecht sie sich zuordnen, egal ob sie desertieren, den Kriegsdienst verweigern oder ihr Leben in Sicherheit wissen wollen.

Die Forderung nach Asyl für alle Deserteur:innen und Kriegsdienstverweiger:innen ist damit in letzter Konsequenz auch eine Forderung nach der Abschaffung von Krieg und seinen Diensten.

In Deutschland fordert ein breites Bündnis aktuell Schutz und Asyl für Deserteur:innen und Kriegsdienstverweiger:innen aus Russland, Belarus und der Ukraine und hat diese Forderung an den deutschen Bundestag herangetragen – ein Schritt der der grundlegenden Forderung nach Asyl für alle Deserteur:innen und Kriegsdienstverweiger:innen unabhängig davon auf welchem Fleck der Erde man sich gegen Krieg entscheidet – jedenfalls nicht im Weg steht und auch in Österreich dringend notwendig ist.

Wir rufen daher dazu auf sich zusammen zu tun und auch in Österreich die Stimmen des Friedens und des Antimilitarismus lauter zu formulieren.

Fluchtwege Freihalten!

Asyl für alle Deserteur:innen!

Nachfragen unter info@deserteursberatung.at